2. Woche Atlantik – Logbuch

2. Woche Atlantik – Logbuch

8. Tag: Sonntag, 28.11.2021
Wind und Wellen nahmen tatsächlich zu und kommen jetzt aus Süd-Osten, später direkt aus Ost. Da wir schon ziemlich südlich waren, entschieden wir uns nun einen westlicheren Kurs zu segeln. Immer wieder erschienen andere ARC-Teilnehmer-Boote auf unserem AIS, so dass wir mit unserem Kurs nicht ganz verkehrt liegen konnten. Allerdings hatten wir unser perfektes Vorwind-Segel-Setup noch nicht gefunden. Das mit dem Ausbaumen beider Vorsegel zum Schmetterling war eigentlich ganz gut, aber ziemlich zeitaufwändig für Auf- und Abbau. Also wollten wir es ausprobieren, beide Vorsegel auf einer Seite mit dem Spinnacker-Baum fest zu machen und das Groß-Segel auf der anderen Seite auszubaumen. Das klappte aber nicht, da das eine Vorsegel etwas kleiner ist und flatterte. Also bauten wir alles wieder zurück und segelten nur mit dem weit ausgebaumten Groß-Segel. Hätten wir das Vorsegel dazu genommen, wäre es im Windschatten des Groß-Segels immer wieder eingefallen. Wir hatten durchgängig immer 20-27 kn Wind aus Ost, so dass wir eigentlich mit einem Vorwind-Segel hätten gut nach Westen segeln können. Nur mit dem Groß, mussten wir einen Raumwind-Kurs nach Südwest segeln. Was eigentlich OK war, weil Santa Lucia noch etwas südlicher ist. Allerdings waren die hohen Wellen von bis zu 5 m sehr ungemütlich und ließen Kithara unangenehm schaukeln und Rollen. Es gab auch immer wieder Böhen von 30-42 Knoten, so dass wir unser Groß für die Nacht um 1/3 verkleinerten. Dennoch schafften wir an diesem Tag 147 sm unter Segeln und sind 139 sm näher an Santa Lucia heran zu kommen.

9. Tag: Montag, 29.11.21
Je weiter wir nach Westen kamen, umso mehr fliegende Fische sahen wir. Und jeden Tag landete mindestens einer an Deck von Kithara. In der letzten Nacht landete einer sogar direkt neben Anne im Cockpit. Vor lauter Schreck, warf sie erst einmal die verknotete Vorschot über Bord. Da der arme Fisch so stark zappelte, war es nachts eine Überwindung ihn anzufassen und über Bord zu werfen. Leider kann man diese Fische nicht essen. Zum Angeln war es auch zu wellig, so dass wir wohl so schnell keinen Fisch zu essen bekommen werden. Ansonsten war unser Tagesablauf eigentlich immer gleich. Jeder frühstückte individuell, wie er wach wurde. Ein gemeinsames gemütliches Frühstücken am Cockpit-Tisch war aufgrund des Wellenganges sowieso nicht wirklich möglich. Danach döste jeder noch so ein bisschen vor sich hin. Das Highlight des Tages war dann die tägliche Funkrunde über SSB um 12 Uhr. Bis dahin war jeder mehr oder weniger ausgeschlafen, wollte aber auf jeden Fall hören, wie es den anderen Booten so ging, wo sie sich befanden und vor allem, wie das Wetter dort gerade so war. Der Funk klappte die ersten Tage ganz gut, aber je weiter sich das Feld von einander entfernte, war es nur noch ein einziges Rauschen und Piepsen. Nach schriftlicher Rückmeldung des Controllers über unseren Tracker, waren von ihm auch immer weniger Boote zu hören. Die Aufgabe des Controllers wurde jeden Tag von einem anderen Boot übernommen. Er führt das Gespräch und spricht jedes Boot auf seiner Liste einzeln an, denn nicht jedes Teilnehmer-Boot verfügt über SSB. Hans versuchte alles mögliche, das Rauschen zu verringern und die leisen Stimmen im Hintergrund hervorzuheben, bis ihm die glorreiche Idee kam mal den Windgenerator und die Solaranlage auszuschalten. Außerdem gab auch der Autopilot noch ein störendes Geräusch ab, den man aber nur abschalten konnte, wenn man von Hand steuern wollte. Auf jeden Fall konnten wir uns ab da wieder mehr an der Runde beteiligen. Danach gab es eine Positionsliste über Satellit herunter zu laden, auf der man sehen konnte, wo sich die anderen Boote befinden, und wie weit sie noch vom Ziel entfernt sind. Einige hatten schon ihren Turbo gezündet und waren uns einige 100 sm voraus. Ein paar unserer Freunde machten einen Zwischenstop auf den Kap Verden und warteten auf besseres Wetter und weniger Wellengang. Am Nachmittag überlegten wir dann, was wir zu Abend essen wollten und machten ggf. ein Fleisch aus der Kühltruhe raus, damit es auftauen konnte. Dann gab es für jeden meist einen kleinen Snack. Es wurden Schularbeiten gemacht, gelesen oder spiele gespielt, soweit dies bei der Schaukelei möglich war. Manchmal musste an den Segeln etwas verändert werden, oder wir machten eine kontrollierte Halse, um den Bug und den Kurs zu ändern. Später wurde gekocht und gemeinsam zu Abend gegessen. An diesem Abend fiel uns das erste Mal auf, dass die Sonne nicht mehr um 17 Uhr unter ging, sondern erst um 19.30 Uhr. Auch der Sonnenaufgang war nicht mehr um 7
Uhr, wie wir es von den Kanaren her kannten, sondern erst um 8.30 Uhr. Unsere Bordzeit ließen wir auf der Canarischen Zeit ( = minus 1 Stunde zur deutschen Zeit) weil das die utc (d. h. International festgelegte Zeit nach Greenwich) ist. Wir befanden uns bereits auf dem 30. Längengrad. Las Palmas liegt auf dem 15. und Santa Lucia erst auf dem 60. Wir müssen also noch ziemlich viel weiter nach Westen segeln. In diesen 24. Stunden segelten wir 151 sm, Santa Lucia kam dabei um 138 sm näher.

10. Tag: Dienstag, 30.11.2021
Nachts wechselten wir uns alle 3-4, manchmal auch 5 Stunden ab. Je nachdem wie fit oder müde wir waren. Die Kinder waren meistens bei der ersten Wache bis Mitternacht dabei. Tagsüber konnten sie auch schon mal eine Wache zu zweit übernehmen. Aber nachts wollten wir sie mit den Wellen und Squalls noch nicht alleine lassen Diese Nacht war wie die meisten anderen auch, davon geprägt, dass es immer wieder kleinere Schauer mit sehr starken Wind bis zu 42 kn gab, die wir abwettern mussten. Man nennt dies Squalls. Zum Glück hatten wir bisher noch kein richtiges Gewitter mit Blitz und Donner. Aber so reicht es uns auch schon. Wenn so ein Squall kommt, muß man schauen, dass man rechtzeitig vorher die Segelfläche reduziert. Man merkt es, wenn der Wind kontinuierlich mehr wird und auch noch Regen hinzu kommt. Es dauert meist nur ein paar Minuten, bis das Schlimmste wieder vorbei ist, aber in dieser Zeit, kann es passieren, daß man klatsch nass ist, weil soviel Regen auf einmal kommt. Scheinbar haben wir tatsächlich eine blöde Zeit zum Überqueren des Atlantik erwischt. Denn so viele Squalls und so hohe Wellen wie dieses Mal ist selbst für den Atlantik nicht üblich. Manchmal kommt es einem vor, als sei man in einem einzigen Squall, der mehrere Tage andauert. Das Wetter soll sich auch in den nächsten Tagen nicht merklich ändern. Auch die Wellen, die eigentlich lang gezogen aus einer Richtung kommen sollten sind sehr unbeständig. Sie sind zwar immer da, sind aber viel kürzer als üblich und kommen mal von hinten, oder auch von den Seiten, was die Fahrt sehr ungemütlich macht. Durch diese schlechten Bedingungen werden die Boote natürlich sehr stark beansprucht. So hat ein Boot seine Rettungsinsel verloren, die sich aufgeblasen hatte und nun herrenlos auf dem Atlantik treibt. Ein anderes Boot hatte einen Wassereinbruch, was sie aber scheinbar stoppen konnten. Bei einem dritten Boot ist eine der Wanten gebrochen, was natürlich nicht gut ist, weil sie den Mast halten. Zum Glück sind wir vor solchen Katastrophen bisher verschont geblieben. Das einzig gute an den Konditionen ist, dass man schnell vorankommt, obwohl man kaum Segel draußen hat, weil man teilweise die hohen Wellen schön runter surfen kann. In den letzten 24 Stunden hatten wir eine Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 7 Knoten, obwohl wir nur das Halbe bis max. 3/4 vom Groß-Segel draußen hatten. Damit erreichten wir unser bisher höchstes Etmal von 160 sm.

11. Tag: Mittwoch 01.12.2021
Natürlich bekamen die Kinder auch dieses Jahr wieder einen Adventskalender, obwohl sie lange gezittert haben, ob es einen geben wird. Hans meinte, wir haben keinen Platz für so einen Schnick-Schnack. Und Weihnachten wird dieses Jahr auch anders gefeiert als sonst. Sonst gab es immer ein großes Fest mit unseren beiden Familien. Jenny hatte schon alle 16 Personen zu uns auf die Kithara eingeladen, was aber natürlich leider nicht geht. Auch die Schlesischen und Nürnberger Würstchen, die wir sonst an Heiligabend verputzten, wird es in der Karibik wohl nicht geben. Wir werden versuchen unsere alten Traditionen mit neuen Traditionen aus der Karibik zu verbinden. Aber jetzt hat uns erst wieder eine neue Hiobsbotschaft erreicht. Eine weitere Segelyacht musste aufgegeben werden, weil sie scheinbar ein unlösbares Problem am Steuerrad hatten. Die 4 Besatzungsmitglieder wurden unversehrt von unseren englischen Freunden auf der Magic Dragon aufgenommen, die in der Nähe waren und mit 4 Kindern bereits zu 6 auf dem Boot unterwegs sind. Das Problem für uns ist, dass das Geisterschiff noch irgendwo vor uns treibt und wir noch daran vorbei müssen. Nachts ist es wahrscheinlich nicht beleuchtet. Wir hoffen nur, dass zumindest das AIS funktioniert falls wir in seine Nähe kommen. Am Ende dieser 24 Stunden hatten wir wieder 152 sm auf unserem Tacho und davon 146 sm nach Westen.

12. Tag: Donnerstag, 02.12. 2021
Dieser Tag verlief sehr ruhig und gechillt. Die Wellen, aber auch der Wind hatten über Nacht etwas nachgelassen. Nachdem wir die letzte Nacht wegen der Squalls nicht so viel Schlaf bekommen haben, lagen wir alle etwas faul an Deck bzw. die Kinder in der Kajüte. Eigentlich wollten wir unseren Autopiloten etwas entlasten und unsere Windsteuerung, die Heidi einschalten und auch endlich nochmal unsere Vorwind-Besegelung ausprobieren, wenn die Wellen etwas nachgelassen haben. Aber irgendwie hatten wir dafür keine Lust. Nach der Funk-Runde, bei der wir alle gut hören konnten, sie uns aber leider nicht, dösten wir noch etwas, bevor es dann Abendessen gab. Wir sind insgesamt schon 1.560 sm gesegelt und haben noch 1.400 sm bis zum Ziel, d. h. wir mussten, vor allem in den ersten Tagen, bereits 260 sm in eine andere Richtung segeln bzw. kreuzen. Aber die erfreuliche Nachricht ist: Am nächsten Tag werden wir unser Bergfest für die Hälfte der Strecke feiern dürfen. Von den anfangs 2.690 sm haben wir die Hälfte geschafft und werden dann nur noch 1.350 sm bis Rodney Bay in Santa Lucia vor uns haben. Unser Etmal für diesen Tag lag bei 153 sm, davon 147 sm Richtung Ziel.

13. Tag: Freitag, 03.12.2021
Heute schafften wir es vor der Funk-Runde endlich unsere Heidi einzuschalten und dem Autopiloten mal eine Pause zu gönnen. Da der Autopilot beim Funken ein störendes Geräusch abgibt, hätten wir ihn eh wieder kurz ausschalten müssen um von Hand zu steuern. Das von Hand steuern ist ganz schön anstrengend bei diesen Wellen, daher waren wir froh, dass Heidi dies jetzt für uns übernahm. Nach der Funk-Runde waren wir dann auch endlich bereit unsere beiden Vorsegel für das Vorwind-Segeln auszubaumen. Mit dem Groß-Segel auf der einen Seite ist es nicht möglich direkt vor dem Wind zu segeln, weil es dann schnell mal back steht und das Boot abbremst, wenn der Wind nach einer Welle mal schnell von der anderen Seite kommt. Das Ausbaumen der beiden Vorsegel war nicht ganz so einfach, weil das Boot trotz der nur noch 2m statt 5m Wellen immer noch sehr stark schaukelte und es vorne an Deck nicht so viele Möglichkeiten zum Festhalten gibt. Da wir diesmal schon wussten, wie wir das Setup am Besten hinbekommen, konnten wir das es in einer statt 2,5 Stunden aufbauen. Zuerst glaubten wir, dass es nicht viel Geschwindigkeit brachte, auch weil der Wind etwas nachgelassen hatte. Bei 13-20 kn segelten wir in einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von ca. 7 kn pro Stunde, was wir vorher auch machten, aber da hatte es mehr Wind, was wir erst im Laufe der folgenden Nacht merkten. Jetzt waren wir mit etwas mehr Wind bis 25 kn, deutlich schneller. Unter Deck fühlte es sich irgendwie an, wie auf einem Rennboot. Wir machten die Vorsegel sogar etwas kleiner, um ein bisschen Ruhe in Kithara zu bekommen. Aber vorher hatten wir ja noch unser Halbzeit-Essen, Hans hatte extra Lammkeule mit genommen, was mit einer leckeren Erdnuss-Butter-Kruste im Gasofen zubereitet wurde. Dazu gab es gehopselte Kartoffeln, Karotten, Bohnen und Blumenkohl. Da wir nur 2 Herdplatten haben, musste dies in Schichten zubereitet und nochmal kurz aufgewärmt werden. Das Servieren war bei dem Wellengang auch eine Herausforderung. Aber es hat sich gelohnt. Das Fleisch war sehr zart und lecker, genauso wie das Gemüse. Wir feierten unser Halbzeitfest, während die ersten beiden Boote der Racing Devision bereits in Santa Lucia angekommen sind. Wahnsinn, wie schnell die unterwegs gewesen sein müssen. Doppelt so schnell wie wir. Wir schafften an diesem Tag unsere bisher weiteste Strecke mit 162 sm in 24 Stunden.

14. Tag: Samstag 04.12.2021
An diesem Tag ging die Sonne wieder eine halbe Stunde später auf, nämlich erst um 9 Uhr Bordzeit, d.h. dass wir wahrscheinlich wieder eine Zeitzone überschritten haben. Man merkt auch, dass es langsam wärmer wird. So haben wir letzte Nacht das erste Mal keine Jacke für die Nachtwache gebraucht. Und auch tagsüber brennt die Sonne richtig runter, so dass wir unser Sonnendach wieder hin machen mussten, um zumindest etwas Schatten zu bekommen. Das Duschen draußen mit kaltem Wasser ist jetzt eine schöne Abkühlung. Wir haben uns entschieden nur draußen zu duschen, obwohl wir auch im Bad eine Dusche hätten. Es ist schwierig die Feuchtigkeit nach dem Duschen aus dem Boot zu bekommen, wenn man während der Fahrt keine Fenster öffnen kann. Vom segeln her werden wir immer mutiger und schneller, d. h. wir machen nicht automatisch die Segel kleiner, sobald es dunkel wird, sondern erst wenn Wolken zu sehen sind und der Wind weit über 30 Knoten anzeigt. So haben wir in den vergangenen 24 Stunden 173 sm geschafft und sind Santa Lucia weitere 170 sm näher gekommen.

Wir hatten nur sehr wenig Segel draußen
fliegender Fisch Im Cockpit
Handsteuerung während der Funk-Runde
Kithara in Aktion!
Halbzeitessen
Schmetterlings-Setup mit 2 Vorsegel

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